Heinrich Keller
Griesheimer
Tannenzapfenbrecher
Die großartigen Klenganstalten, welche von
dem jetzigen Eigentümer, Heinrich Keller, dem Sohne des Gründers, im Jahre 1861, nach den neuesten Erfahrungen und Verbesserungen in angemessenem und schönem Baustile umgebaut und bedeutend
vergrößert wurden, bilden mit den neuesten Einrichtungen, namentlich der Dampfdarre, in diesem Geschäftszweige nicht allein die größte Fabrikanlage Deutschlands, sondern auch neben Lawson in
Edinburg und Villemorin-Andrieux in Paris die größte der Welt. Das Wort „Kleng“ kommt von klingen; ausklengen bedeutet in der forstwissenschaftlichen Sprache, die Nadelholzsamen durch Wärme
und nachfolgendes Dreschen aus den Zapfen bringen, klingend herausspringen machen. Wenn man das Ohr an die geschlossenen Räume in der Fabrik legt, worin auf Horden die Samenzapfen der
Nadelhölzer eingeschlossen sind, so könnte man beinahe sagen, dass sich bei der Geschwindigkeit und den Veränderungen der Dichtigkeit der Wärme, durch die sich die Samenkapseln unter
verschiedenen Klängen öffnen, eine „eigentümliche Musik“ hören lasse. Keller’s Anstalt befasst sich hauptsächlich mit dem Ausklengen von Kiefern-, Fichten- und Lärchenzapfen. Diese werden im
Herbst und Winter von dem weniger bemittelten Teile der Landbevölkerung, namentlich Griesheims, in den umfangreichen Nadelholzwaldungen gebrochen und zum Verkauf in die Fabrik gebracht. Zu
diesem Zwecke beschäftigt dieselbe während der Wintermonate bei einer vollkommenen Ernte nahezu eintausend Menschen, welche sich über das ganze Großherzogtum Hessen und einen Teil der
angrenzenden Länder verbreiten und dabei einen willkommenen und lohnenden Verdienst finden. Mit der Klenganstalt sind mehrere Zweiggeschäfte verbunden, welche für deren Rechnung arbeiten.
Diese befinden sich zu Nieder-Ingelheim und Manbach in Rheinhessen, zu Iggelheim und Sand in Rheinbaiern und Lützelwiebelsbach im hessischen Odenwald.
Die Tannenzapfenbrecher, namentlich die
Griesheims, die sich in größere und kleinere Genossenschaften in den Kiefernwaldungen zwischen Rhein, Main und Neckar verteilen, sind in grobe Leinwand gekleidet. Wollene Kleidung würde ihnen
bei Besteigung von oft hundert Fuß hohen Bäumen hinderlich sein. Bei rauer und regnerischer Witterung schützt ein ausgetragener Soldatenmantel die Glieder und eine leichte Mütze den Kopf. Mit
den an kernhaften Stiefeln oder Gamaschenschuhen angebrachten Steigeisen klettern diese „Tannenvögel“, an Kühnheit, Gewandtheit und Sicherheit mit Eichhörnchen und Spechten wetteifernd, mit
kräftigen, weithin hörbaren Tritten pfeilschnell zu den Kronen der Bäume, bis zu den schlankesten Wipfeln empor und das Knicken der Zweige, an welchen die Zapfen sich befinden, verkündet die
rege Arbeit. In einem leinenen, über die Schulter geworfenen Sack sammeln sie die Zapfen und die, welche sie mit ihren Armen und Händen nicht erreichen können, werden mit ihrem einzigen
Werkzeuge, einer Stange, die einen Zoll dick und acht bis zehn Fuß lang, an einem Ende mit einem Haken versehen ist und beim Steigen im Knopfloch getragen wird, von den schwankenden und
höchsten Zweigen „heruntergeangelt“. Hat der fleißige Arbeiter mit den harzduftenden Tannenzapfen seinen Sack gefüllt, so fährt er von seinem luftigen Throne ebenso schnell und sicher wieder
zur Erde herab und schüttet seinen Sack voll auf Haufen, wärmt sich an dem mit Tannenzapfen unterhaltenen Feuer, und so geht die Arbeit bis zur einbrechenden Abenddämmerung fort. Heinrich
Keller (Fabrikant) Johann Heinrich Keller (* 25. Dezember 1826 in Darmstadt; † 27. November 1890 ebenda) war ein deutscher Kaufmann, hessischer Politiker und Abgeordneter der 2. Kammer der
Landstände des Großherzogtums Hessen. Heinrich Keller war der Sohn des Kaufmanns Johann Heinrich Keller und dessen Ehefrau Anna Adelheid, geborene Straß. Keller, der evangelischen Glaubens
war, war Fabrikant und Samenhändler in Darmstadt-Bessungen und heiratete Helene geborene Zöller (1827–1906). Er wurde mit dem Titel eines Kommerzienrates ausgezeichnet.
Quelle Text:
https://de.wikisource.org/wiki/Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_133.jpg#/media/Datei:Die_Gartenlaube_(1867)_b_133.jpg https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Keller_(Fabrikant)